Sternekoch Daniel Humm verkaufte auf dem Bürkliplatz „dekadente“ Hot Dogs – für einen guten Zweck. Wären normale Hot Dogs serviert durch einen Starkoch nicht sympathischer gewesen?
Qualität hat ihren Preis – oder Unwissenheit.
Hummer, Trüffel, Kaviar – noch immer lassen sich Trittbrettgourmets durch die namhafte Nennung dieser Zutaten blenden und krönen mit solch teuren Zutaten hergestellte Gerichte unisono als vollkommene Kreationen. Je teurer, desto besser? Diese Meinung zieht sich durch alle Bereiche: Das teuerste Handy, die teuerste Feriendestination, die teuerste Uhr. Qualität hat ihren Preis – oder Unwissenheit. Kann man sich die teuren Dinge leisten, ist man in und kann mitreden, in Bereichen von denen man an sich nichts versteht, und die einen auch nicht sonderlich interessieren. Also verlässt man sich auf den Preis. Für ein mit Liebe und Sorgfalt zubereitetes, aus harmonischen regionalen Zutaten bestehendes Süppchen 15 Franken ausgeben? Niemals! Dann lieber die sorglos zusammengepampte, aus qualvoll im Kochtopf verendeten Hummern bestehende Bisque schlürfen, die mit Cognac und Rahm zur Unkenntlichkeit verunstaltet wurde, und 30 Franken hinblättern. Hummer ist teuer, das weiss man. Spaghetti Napoli? Nein!! Mit weissem Trüffel und Rahm steigere ich meinen kulinarischen Status. Ein Hobelspan Trüffel mehr? Kein Problem, die Portion Spaghetti kostet dann zwar doppelt soviel, man darf sich bloss beim Bezahlen der Rechnung nicht outen, dass man das nicht erwartet hätte.
Gehört in ein Hot Dog Trüffelaroma? Diese Frage stellte sich manch einer, der kürzlich dieses Fast Food Gericht von einem der besten Köche der Welt serviert bekam. Die meisten Zutaten seines exklusiven Wurstbrötchens hatte er „aus New York eingeflogen“, schrieb der Tages Anzeiger. Ich hoffe, damit waren nicht die mit in den USA üblichen HFCS-durchtränkten Buns gemeint. Immerhin hatte Humm den Greyerzer in der Schweiz gekauft. Aber vielleicht lag das ja auch an der Einfuhrbestimmung für Milchprodukte.
„Um mit Rahm und Butter ein respektables Ziel zu erreichen, brauchst net Koch z‘lernen“
Man könnte die Aktion auf dem Bürkliplatz wirklich als dekadent verurteilen, aber der Erlös war ja für das Kinderspital bestimmt, also ist der ganze kulinarische Werbeunsinn ja wieder gerechtfertigt, oder nicht? Wird der gute Zweck für solche Eskapaden missbraucht? Dass sich ein Sternekoch für das Kinderspital einsetzt, ist ja lobenswert. Wird dann vielleicht einfach von den Trittbrettgourmets erwartet, dass ein Sternekoch automatisch mit Trüffeln und eingeflogenen Zutaten aufwarten muss? Braucht es das für den WOW-Effekt? Oder wäre es nicht sympathischer gewesen, hätte sich ein Küchengott auf die Stufe des Normalessers gestellt und einfach versucht, aus einem normalen Hot Dog aus regionalen Zutaten etwas Unvergessliches zu zaubern? Daniel Humm ist ein meisterlicher Koch, seine Karriere traumhaft, und er hat sich durch harte Arbeit verdient einen Namen gemacht. Er ist Vorbild für eine Reihe von Nachwuchsköchen – und dann diese Hot Dog Aktion.
„Um mit Rahm und Butter ein respektables Ziel zu erreichen, brauchst net Koch z‘lernen“ meinte (ausgerechnet) ein österreichischer Sous-Chef zu mir, als ich ihm vor mehr als 20 Jahren als Commis stolz die in meinen Augen perfekte Zürigschnätzelts-Sauce präsentierte. Sie bestand zum grössten Teil aus einreduziertem Rahm, verfeinert mit Glace de Viande und Gewürzen. Derselbe Sous Chef erklärte mir auch, dass in eine Bündner Gerstensuppe kein Rahm gehört – dabei schmeckte das so fein. Er lehrte mich, den Ehrgeiz zu entwickeln, den Geschmack der Einzelzutat zu erkennen und zu etablieren.
Die Kunst des Kochens liegt im Beherrschen der Techniken, durch das Zusammenspiel der Zutaten das maximale Geschmackserlebnis zu kreieren. Gerade ein Daniel Humm beherrscht dies wie wenig andere. Deshalb wäre es eine Chance gewesen zu erleben, wie er aus einem normalen Hot Dog etwas Spezielles zaubert. Wäre nämlich ein namenloser Koch dort gestanden, hätte manch einer wohl bemerkt, dass mit Trüffeln kochen jeder kann.