Tue Gutes und sprich darüber. Dieses Motto scheinen sich in letzter Zeit immer mehr Gastrobetriebe zu verschreiben. Nichts Verwerfliches – aber alles was ich als Gast eigentlich will ist einfach nur gut und frisch essen und das auch noch günstig.
Biolabel, regionale Lebensmitel, Foodwaste, Fleisch von glücklichen Hühnern, zubereitet von zufriedenen Mitarbeitern in ausgezeichneten Betrieben, die zukunftsweisend Lehrlinge ausbilden. Alles lässt sich vermarkten. Zu allem gibt es schöne oder weniger schöne Aufkleber, die teilweise teuer erstanden an den Eingangstüren entsprechender Lokale kleben. Die Bioknospe in der Speisekarte, die Worte „bio“, „fair“, „regional“ und „glücklich“ bei jeder Gelegenheit ausgelobt. Das ist heutzutage bereits Standard, quasi ein Muss, um die anspruchsvolle und informierte Kundschaft zufrieden zu stellen. Wirklich?
bio oder nicht, von hier oder von fern, Batterie oder Freilauf. Alles andere ist mir zu kompliziert.
Der Gast ist kritischer geworden. Das stimmt. Er überlegt sich zweimal, wofür er sein Geld ausgeben möchte. Sieht er einen Sinn und einen nachvollziehbaren Mehrwert, ist er gerne dazu bereit, auch mal etwas tiefer in die Tasche zu greifen, bzw. die Kaufabsicht an sich zu signalisieren.
Das ökologische Bewusstsein und das moralische Gewissen gegenüber schlechter bemittelten Mitmenschen weltweit hat medial enorm zugenommen. So spriessen denn auch Labels und Zertifizierungsstellen aus dem Boden. Kategorisieren soll man das Gewissen. Nur – unlängst herrscht ein Labelwald, durch den man nicht mehr blickt. Je nach Priorität werden in Ratings manche Labels als nachhaltiger empfunden als die anderen. Als Konsument werfe ich das Handtuch und sage nur noch: bio oder nicht, von hier oder von fern, Batterie oder Freilauf. Alles andere ist mir zu kompliziert.
Im Restaurant möchte ich genau das wissen. Mich interessiert nicht, ob ein Manor Biolabel, EU Biolabel, die Knospe oder gar Demeter eingekauft wurde. Wohler ist mir, wenn der Wirt den 80-jährigen Bauer Nöldi von nebenan berücksichtigt, der sich kein kompliziertes und teures Zertifizierungssystem leisten kann, als wenn mir durch das Label in der Karte die seriöse und nachhaltige Behandlung des argentinischen Bio-Rindes und des Umfeldes garantiert werden soll.
Die Spektakuläre Rettung eines Gipfelis vor der Vernichtung hat mehr Sensationswert und holt viel mehr Reaktionäre auf den Plan, die darin gleich ihr Geschäftsmodell wittern.
Aufgrund des gesteigerten Preisdruckes verzichten immer mehr Produzenten auf die Zertifizierung und geben quasi „bloss“ ihr Wort, das reichen muss, um die Nachhaltigkeit und faire Behandlung zu garantieren. Bio ist Vertrauen. Das ist die Zukunft. Dieses Vertrauen kann weiter gegeben werden, indem der Verarbeiter direkt beim Produzenten bezieht oder wiederum einen Zwischenhändler seines Vertrauens mit der Beschaffung beauftragt. Diese Idee ist nicht neu und auch kein Hirngespinst, es wird bloss nicht soviel darüber geredet. Die Spektakuläre Rettung eines Gipfelis vor der Vernichtung hat mehr Sensationswert und holt viel mehr Reaktionäre auf den Plan, die darin gleich ihr Geschäftsmodell wittern. Das Label für gerettete Lebensmittel ist wohl nicht mehr fern.
Als privater Gastgeber käme es mir nie in den Sinn, meine Gäste zu betrügen. Mir käme es auch nie in den Sinn, meine Gäste von meiner guten Absicht überzeugen zu wollen, indem ich ihnen einen Labelsalat auftische. Umgekehrt würde ich als privater Gast bei Freunden niemals den Gastgeber an seiner Gesinnung zum Einkauf messen und das Vorzeigen der Labels verlangen. Vertrauen unter Freunden ist eine Selbstverständlichkeit. Diese Philosophie lässt sich auch ins gewerbliche Gastgebertum übertragen, indem wieder Persönlichkeit gelebt wird. Geschichten und Erlebnisse ausgetauscht werden, die das Vertrauen zementieren. Kurz: Tue Gutes und rede nicht nur darüber.