Kochlehre – Commis – Chef de Partie – Sous Chef – Küchenchef. So einfach war früher der Karriereweg eines Kochs. Wenn man sich spezialisieren wollte, ergänzte man mit einer Diätkochzusatzlehre und die Krönung war dann der eidg. dipl. Küchenchef. Alle Ziele waren erreicht, man führte eine 15- bis 40-köpfige Kochbrigade, erschien gerade noch zur Serviceausgabe am Pass, um die Bons abzurufen und freute sich an seiner beruflichen Anerkennung. Das Tüpfelchen war schliesslich ein Portraitbildchen im Pauli, woran man erkannte, dass man massgeblich an der Erarbeitung der „Küchenbibel“ beteiligt war. Dabei wusste schon damals jeder Kochlehrling, dass die Rezepte nicht zu gebrauchen waren, weil die Mengenangaben einfach nicht richtig kalkuliert waren. Heimlich nahm man dann den TipTopf, das Lehrbuch der Hauswirtschaftslehrerinnen. Da war immer alles so einfach erklärt, die Rezepte logisch und das Resultat perfekt. Das war damals so, und daran hat sich auch nichts geändert, seit der Pauli in zwei Bänden und doppelter Dicke erscheint.
Berechtigterweise stellt sich da die Frage, ob nicht generell auf den Pauli, der seit Jahrzenten aufgebauten Stütze und Grundsäule der Kochlehre, verzichtet werden soll, wenn man ihn eh zur LAP zum letzten Mal bewusst öffnet, weil man das einfach muss? Aber nein, dann wäre man ja nicht einer der „gelernten“ Köche und hätte auch keinen Grund mehr, sich von anderen Köchen abzuheben. Und genau da liegt das Problem. Die Entwicklung in der Gastronomie schreitet für den Pauli zu schnell voran, als dass zeitgemässe Küchenwerte rechtzeitig vermittelt werden könnten. Dies führt letztendlich dazu, dass Quereinsteiger Nischen besetzen – und Erfolg damit haben. Während „gelernte“ Köche krampfhaft damit beschäftigt sind, tourniertes Gemüse als Königsdisziplin unter den Schnittarten zu zelebrieren, Gemüsecremesuppen mit Kalbsfond ansetzen, so wie im Pauli beschrieben, verbreiten passionierte Köche auf ihren Rikscha-Suppenküchen, in Desserttraumlädelis, Saftläden täglich ihre frischen, innovativen, ehrlichen Küchenkreationen. Nehmen Rücksicht auf religiöse, kulturelle, philosophische und ideologische Haltungen und Wünsche; kurz, sie gehen direkt auf Kundenwünsche ein, haben eingesehen, dass für Gemüseteller und Pastagericht kein Vegetarier den Betrieb betritt, finden auch ohne Schwein günstige, leckere Fleischalternativen, setzen vermehrt auf Regionalität und Saisonalität, experimentieren auch mal mit Gewürzen und nehmen dazu auch schon mal einen Mörser zur Hand.
Kommen diese Werte bei „gelernten“ Köchen nicht zu kurz? Bei vielen schon, weil die Lehre zu starr auf Regeln und Schemas aufgebaut ist. Wen interessiert die Einteilung in Nass- und Trockengarmethoden? Das Nahrungsmittel verstehen, es kennenlernen, über den Tellerrand hinausschauen, entdecken, dass es wahr ist, dass mit Liebe zubereitetes Essen besser schmeckt, Verständnis gegenüber verschiedene Kostformen entwickeln, realisieren, dass die Ernährung nicht aus Kohlenhydraten und Eiweissen besteht sondern dass eine tiefere Bedeutung und Verantwortung im Beruf besteht – dann ist man gelernter Koch.