Preiskampf, ökologische Erwartungen und Umsatzdruck treiben Gastronomieketten zu immer kreativeren Ideen, um mehr Geld zu generieren und gleichzeitig als Betrieb gut da zu stehen, indem suggeriert wird, dass man Teil einer Gemeinschaft sei oder durch den Konsum die Welt rettet. Bei näherem Betrachten fühlt man sich als Kunde aber doch verarscht und es ist zu bezweifeln, ob die ausgeklügelten Marketingmassnahmen wirklich nachhaltig sind.
Pardon, das «Fräulein» gibt es ja gar nicht mehr – aber das Café Crème schon.
Als in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts die ersten Pubs in die Schweiz kamen, war es für den Gast zuerst sehr gewöhnungsbedürftig, seine Getränke an der Bar zu bestellen, anstatt sie am Tisch vom «Fräulein» serviert zu bekommen. Anfänglich riefen die Barmitarbeiter noch quer durchs Pub: «Muesch a d‘Bar cho go bstelle!» oder die Bequemeren stellten entsprechende Tischreiter auf. Gut, die unkomplizierte Art sprach an, so dass heutzutage sogar in manch bedienten Bistros die Gäste automatisch an die Theke bestellen gehen. Soweit ein Erfolgsmodell. Dagegen gibt es aber auch typisch Schweizerische Gastro-Werte, die über Generationen gewachsen sind, und die nicht einfach so von grossen internationalen Gastronomieketten wegbedungen werden können. Zum Beispiel das Café Crème. Gehe ich in ein Restaurant und bestelle ein Café Crème, so weiss ich was mich erwartet – bzw. das «Fräulein» weiss, was es zu tun hat. Pardon, das «Fräulein» gibt es ja gar nicht mehr – aber das Café Crème schon. Oder nicht? Na geh’ mal ins Spettacolo oder ins Starbucks. Im Spettacolo in Schaffhausen hat man sich immerhin inzwischen damit abgefunden, dass es nichts bringt, einen Gast belehren zu wollen, dass man zwischen Mahlgrad, Grösse und Sorte wählen kann. Bei einer Café Crème-Bestellung läuft nun einfach das Programm der Unentschlossenen, um nicht zu sagen der Unwissenden, das Medium-Programm. Das war bis vor kurzem noch anders. Da bildeten sich hinter dir Kolonnen, weil du mit der Kaffeewahl überfordert warst. Nun, über Starbucks möchte ich eigentlich gar nicht reden. «WIR» nennen das hier eben anders, wird man immer noch belehrt. Und wieso soll ich zu meiner Café Crème-Bestellung auch noch gleich meinen Namen nennen? Ah, weil ja das «Fräulein» abgeschafft wurde. Zum Glück wurden wir von den Pubs ja bereits darauf vorbereitet, dass wir den Café Crème selber abholen müssen. Dafür bezahlen wir nun aber auch das Doppelte. Es wird als chic, hip, modern und kosmopolitan verkauft, dass man den Kaffee nun auf die gleiche Weise bestellt wie in New York. Wobei es bis vor nicht allzulanger Zeit in ganz USA nur Filterkaffee gab – à Discrétion. Da bestellten wir bei uns bereits seit Jahrzehnten den Café Crème. Hätte der Cafétierverband die gleiche Marketingmaschinerie aufgebaut, würde heutzutage ganz USA den Café Crème bestellen. Aber eben – verpasst.
Mc Donald’s ist sozusagen der Inbegriff des Fastfoods. Dagegen war sogar die Silberkugel ein Gourmetlokal.
Mc Donald’s hat das Problem erkannt und so ist es möglich, einen Café Crème zu bestellen, ohne Wenn und Aber. Und ans selber abholen hat man sich ja gewöhnt. Obwohl, da muss man sich ja in Zukunft wieder umgewöhnen, da Mc Donald’s ein Bedienkonzept «testet». Neu und innovativ, wie die Wiederentdeckung des Waschpulvers, nachdem alle aufs Flüssigwaschmittel umgestiegen waren. Dass Mc Donald’s dringend Innovativität benötigt um zu bestehen sagen sie selbst. In Zeiten der Fitness und des Argwöhnens gegenüber Fastfood muss man sich ein neues Image aufsetzen. Gar nicht so einfach, nachdem man Jahrzehnte lang mühevoll das Fastfoodimage aufgebaut und gehalten hat. Mc Donald’s ist sozusagen der Inbegriff des Fastfoods. Dagegen war sogar die Silberkugel ein Gourmetlokal. Nun, ein neuer Anstrich – grün ist «in» und vermittelt ökologische Verantwortung, sollte eine neue Richtung anschlagen. Sogar Bio Suisse ist mit aufgesprungen, indem Lizenzmodelle, die für die Verwendung der Knospe an zertifizierte Biobetriebe verkauft werden, für Mc Donald’s nicht zu gelten hatten. Ein Burger mit Knospe-Rindfleisch… Ein Affront gegenüber alle Biobetriebe, die sich wirklich für bio einsetzen. Denn, sonst war und ist bei Mc Donald’s nichts bio. Bio Suisse hat das «Knospe-Produkte-Modell» nun immerhin für alle geöffnet.
Um bei einem anderen typisch schweizerischen Gastrowert zu bleiben: Bestellt man ein einfaches Getränk, erhält man in der Regel 3dl. Ein kleines sind 2dl und ein grosses 4 oder 5dl. Nicht so bei Mc Donald’s. Bestellt man hier ein kleines Getränk erhält man 4dl. Fragt man nach, ob das die kleinste Grösse sei, erhält man zur Antwort, dass man «klein» bestellt habe, und das heisse auf englisch «small», und das wiederum bedeute bei Mc Donald’s 4dl. Für 2.5dl müsse man «mini» sagen.
Ich sage da nur: Völlig-Am-Gästewunsch-Vorbei! Und tschüss, mir reicht’s. Sollen mich halt alle altbacken nennen, wenn ich im «Rössli» ein Mineral und ein Café Crème bestelle, welches von der Mitarbeitenden sogleich serviert wird. Wenn ich möchte, kann ich sogar noch eine Zeitung dazu lesen, da brauche ich auch kein marketingtechnisch mit Paukenschlag angekündigtes WLAN, und die WC-Wasserspülung ist mir eh lieber als das Trocken-WC-Zeugs mit all den Erklärungen. Schlussendlich geht es bei allem nämlich nicht um den Gast, sondern nur um Aufwandverminderung bei den Betrieben durch Greenwashing. Aber hey, wir sind doch nicht blöd.